Eleonore Reuter

Literatur zum Heftthema


Es gibt eine große Zahl aktueller Veröffentlichungen zu den Psalmen. In dieser Kurzvorstellung soll nur jeweils eine wichtige Neuerscheinung aus den Sparten Tagungsband, Lehrbuch, Kommentierter Text und Übertragung in moderne Sprache vorgestellt werden. Weitere Buchvorstellungen finden Sie auf unserem Internetportal www.biblische-buecherschau.de, wenn Sie das Stichwort »Psalmen« eingeben.

 

Ulrich Berges, Johannes Bremer, Till Magnus Steiner (Hg.)
Zur Theologie des Psalters und der Psalmen (BBB 189)
Göttingen (V&R unipress / Bonn University Press) 2019
495 S., € 65,00
ISBN 978-3-8471-0997-6

Wichtige Impulse für die Exegese gehen von internationalen Tagungen aus, die im Anschluss in Sammelbänden publiziert werden. Der vorliegende Sammelband enthält die überarbeiteten Vorträge der Psalmentagung »Theologie des Psalters«, die vom 5.–7. April 2015 in Bonn stattfand. Diese Tagung war als Abschluss eines DFG-Projekts zur Theologie des Psalters von Frank-Lothar Hossfeld geplant. Da er dieses Projekt nicht mehr selbst zu Ende bringen konnte, wurde die Tagung in memoriam Frank-Lothar Hossfeld durchgeführt.

Inhalt des Projekts und damit auch des Sammelbandes sind theologische Themenlinien im Psalter, die auch mit der diachronen Entwicklung von Psalmensammlungen zur Endgestalt des Psalters zusammenhängen. Die folgenden sechs Themenlinien wurden tiefer erforscht und bilden das Gerüst der Publikation: »Die Spannung von Klage und Lob«, »Das Echo auf die Geschichte«, »Die Armentheologie«, »Die Präsenz Gottes in Raum und Zeit«, »David als Autorität des Psalters« und schließlich »Die kanonische Bedeutung des Psalters«.

Welche Richtungen die kommende Forschung nehmen könnte, zeigt die Abschlussdiskussion, die zugleich den Abschluss des Bandes bildet. Vor allem wird deutlich, dass eine Theologie des Psalters sich nicht auf sechs Themen beschränken lässt. Dafür werden offene Fragen benannt: Weisheit; Trägerkreise; Königtum/Herrschaft Gottes; Bedeutung der Diachronie.

Der Band wird abgerundet durch ein Stellenregister.

Wer dieses Buch liest, bekommt weder Fast Food noch Leichte Kost. Auf dem aktuellen Stand der Forschung werden hier akademische Fragen gewälzt, die aber in ihren Einzelergebnissen interessante neue Beobachtungen beinhalten. Kurz: Für akademisch interessierte Lesende eine spannende Lektüre.

 

Johannes Schnocks
Psalmen (UTB 3473)
Paderborn (Schöningh Verlag) 2014
167 S., € 11,99
ISBN 978-3-8252-3473-7

An Einzelabhandlungen zu Psalmen, Psalmengruppen oder Psalter mangelt es nicht. Auch Meditationsbüchlein zu allerlei aus dem Psalter gibt es wie Sand am Meer. Doch als Einführung in die aktuelle Psalmenexegese hat das Buch von Johannes Schnocks ein Alleinstellungsmerkmal.

In sieben Kapiteln werden die aktuellen Themen der Psalmenforschung erarbeitet: Nach einer Definition behandelt ein Kapitel die klassische Gattungskritik und die neuere Kritik daran. Das Ergebnis dieser Kritik, die Kompositionskritik der Psalmen, bildet den nächsten Schwerpunkt, der in die Frage nach der Redaktionsgeschichte des Psalters mündet. Diese vier Kapitel gehen eher auf methodische Themen ein.

Die folgenden drei Kapitel beschäftigen sich dagegen mehr mit theologischen Themen: Ausgehend von einer Theologie des Psalters und der Rezeption der Psalmen im Christentum und Judentum, werden Schwerpunkte des Menschen- und Gottesbildes herausgearbeitet.

Die Ausführungen sind gut verständlich, aber inhaltlich anspruchsvoll.

Zielgruppe des Buches sind explizit Theologie-Studierende. Dieser Praxisbezug wird durch Zusammenfassungen zu jedem Kapitel und ein Glossar am Ende unterstrichen. Als Lehrbuch ist es für Studierende und Lehrende unverzichtbar.

Darüber hinaus ist dieses Buch aber auch für alle, die an den Grundlagen einer wissenschaftlichen Psalmenauslegung interessiert sind, sehr zu empfehlen. Wer sachliche Information auf aktuellem Stand sucht, wird hier fündig.

 

Stuttgarter Psalter
Mit Einleitungen und Kurzkommentaren
von Egbert Ballhorn und Erich Zenger
Stuttgart (Verlag Katholisches Bibelwerk) 2020
352 S., € 39,95
ISBN 978-3-460-44079-1

Der Nestor der Psalterforschung, Erich Zenger, hatte 2004 für das von ihm herausgegebene Stuttgarter Alte Testament die Psalmen kommentiert. Dafür brachte er die Ergebnisse seiner umfassenden Forschung scheinbar mühelos für Menschen ohne theologische Vorbildung nicht nur gut verständlich, sondern auch leidenschaftlich und motivierend auf den Punkt. Der allgemeinverständliche Kurzkommentar wurde ein Jahr später als Einzelausgabe veröffentlicht. Nun ist er für die revidierte Einheitsübersetzung von Egbert Ballhorn angepasst und um eine Einleitung erweitert worden.

Die Einleitung bietet auf 9 Seiten kompakte Informationen zur Theologie des Psalters, zu seiner Komposition und sprachlichen Gestalt. Der Schwerpunkt liegt stark auf der heutigen Endgestalt des Psalters. Fragen der Entstehung werden eher am Rande erwähnt.

Im Kommentarteil wird jedem Psalm eine kurze Einführung vorangestellt, die Erläuterungen zu einzelnen Versen findet sich jeweils nach einem Abschnitt des Psalms. Erklärte Absicht des Kommentars ist es, den biblischen Text für die heutige Lektüre zu erschließen.

Die 16 Abbildungen aus dem Albani-Psalter (12. Jh.) dienen nicht nur dem bibliophilen Charakter des Bandes, sondern sollen das Verstehen der Psalmen vertiefen. Das ist allerdings nur eingeschränkt der Fall, weil die Farbseiten aus drucktechnischen Gründen in den meisten Fällen nicht beim zugehörigen Psalm stehen. Wie in allen mittelalterlichen Psalterien, ist das Bildprogramm von einer christologischen Lektüre bestimmt. Die Wahl einer Illustration der Getsemaniszene für den Umschlag statt einer Psalminitiale stellt aber eine bedauerliche Engführung dar, die im Widerspruch zum sonst durchgängigen Interesse am jüdisch-christlichen Gespräch steht.

Für die persönliche Psalmenlektüre, die auch die intellektuelle Beschäftigung mit dem biblischen Text sucht, ist der Band eine große Bereicherung.

 

Huub Oosterhuis
Psalmen
Freiburg (Verlag Herder) 2014
320 S., € 28,00
ISBN 978-3-451-32364-5

Die Psalmen haben in allen Jahrhunderten Dichter zu eigenen Texten inspiriert. Dabei reicht das Spektrum von sehr enger Anlehnung an das biblische Vorbild bei Gebrauch einer zeitgenössischen Sprache bis zu äußerster Reduktion der Gemeinsamkeiten in der Verwendung des Titels »Psalm«.

Der Band mit den Psalmenübertragungen von Huub Oosterhuis bewegt sich in der Mitte dazwischen. Er enthält alle 150 biblischen Psalmen in der Übertragung durch Huub Oosterhuis. Sie erschienen zuerst 2011 auf Niederländisch und wurden von Annette Rothenberg-Joerges und Hans Kessler ins Deutsche übersetzt.

Allen Übertragungen von Oosterhuis ist seine große Leidenschaft für die Psalmen anzumerken. Konsequent legt er die Psalmen als »Lieder aus dem biblischen Auszugsbericht« aus, die er als die »Große Erzählung, die noch immer besteht« bezeichnet. (S. 15) Er nimmt die Texte ernst in ihrem historischen Kontext, insbesondere mit ihrem Erstadressaten Israel, und liest sie als Teil des jüdischen und des christlichen Kanons. Die intertextuellen Beziehungen zu anderen alt- und neutestamentlichen Texten werden in den »Anmerkungen« zum Teil erläutert. Dabei belässt er es aber nicht. Die Übersetzungen sind im eigentlichen Sinn des Wortes über-Setzungen ins Heute. Der Protest der antiken Autor/innen wird mit den Unrechtserfahrungen der Armen und Unterdrückten des 21. Jahrhunderts untrennbar verbunden. Dafür geht Oosterhuis nicht immer mit den Bewegungen des Psalms mit, sondern lässt in seinen Übersetzungen die modernen Anfragen an die Bibel zu Wort kommen: So stellt er z. B. Ps 21 einen Gegengesang gegenüber, der damit endet, dass die Spannung der Gottesnähe und -ferne festgestellt wird. Auch bei Ps 96 stellt die Übertragung von Oosterhuis als Gegenstimme den Lobpreis des biblischen Textes in Frage. Seine Sprache läuft jeder frommen Gewohnheit zuwider und irritiert, lädt aber so zu einer kritisch-reflektierenden Lektüre der Psalmen und darüber hinaus zur Aneignung ein.

 

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