Literatur zum Heftthema

vorgestellt von PD Dr. Matthias Blum

 

Marlen Bunzel
Ijob im Beziehungsraum mit Gott
Semantische Raumanalysen zum Ijobbuch (Herders Biblische Studien; Band 89)
Freiburg Basel Wien (Herder) 2018
352 S., € 60,00, ISBN 978-3-451-37792-1
 

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um die für den Druck leicht überarbeitete Fassung der Dissertationsschrift, die im Wintersemester 2017/2018 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt angenommen wurde. Ausgehend von der Hermeneutik des Raums und dem sogenannten Spatial Turn (vgl. Bibel und Kirche, Heft 2 [2018]) setzt sich Marlen Bunzel in ihrer Untersuchung mit dem Beziehungsraum Ijob – Gott auseinander. Die Raumperspektive wird somit die leitende und zentrale Perspektive für die Bestimmung der Gottesbeziehung Ijobs. Wie Marlen Bunzel herausstellt, schaffe Ijob den Raum seiner Gottesbeziehung, indem er mit Gott kommuniziere. Dementsprechend wird die Gottesbeziehung Ijobs in der Studie Marlen Bunzels »als ein dynamischer ›Beziehungsraum‹« gedacht (13).

Marlen Bunzel bietet zunächst eine Einführung in die hermeneutischen, methodischen und inhaltlichen Grundlagen und erläutert darin, wie die Gottesbeziehung des Menschen als Raumbild erfasst werden kann. »Das ganze Leben des Menschen im Alten Testament wird als Lebensweg vor und mit Gott verstanden (coram deo). Dieses alttestamentliche Lebens(raum)verständnis kann […] als Raumzeit [verstanden werden]. Der Beziehungsraum zwischen Mensch und Gott verläuft immer räumlich und zeitlich.« (60) Im weiteren Verlauf ihrer Studie erhellt Marlen Bunzel die für die Gottesbeziehung Ijobs relevanten semantischen Raumbilder der Ijobreden, während sie in ihrem Ertrag betont, dass das Ijobbuch einen Beziehungsraum mit Gott eröffne, in welchen der/die LeserIn eintreten könne, indem er/sie Ijobs Weg der Auseinandersetzung mit Gott mitgehe (309).

Marlen Bunzel bietet in ihren semantischen Raumanalysen zum Ijobbuch eine überaus anregende Studie, die einmal mehr den gewinnbringenden Impuls des »Spatial Turn« für die Exegese unterstreicht.

 

Nina Meyer zum Felde
Hiobs Weg zu seinem persönlichen Gott
Studien zur Interpretation von Psalmentheologie im Hiobbuch
(Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament; 160. Band)
Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2020
267 S., € 49,99, ISBN 978-3-7887-3428-2


Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich um die im Jahr 2018 eingereichte Dissertation von Nina Meyer zum Felde an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Das Thema der Publikation ist der Weg Ijobs zu seinem persönlichen Gott, von der Klage (Ijob 3) und dem Wunsch zu sterben bis zum Vertrauensbekenntnis und Getröstetsein (Ijob 42). Die Entwicklung der Gottesbeziehung Ijobs führt Nina Meyer zum Felde zu den Fragen, wie Ijobs Weg zu seinem persönlichen Gott verlaufe und welche Faktoren für Hiobs Weg entscheidend seien (16). Da Ijob seine persönliche Gottesbeziehung in traditionsgesättigter Psalmensprache pflege, ohne auf seinem Weg den Gebetsfaden trotz des großen Vertrauensverlustes abreißen zu lassen, untersucht Nina Meyer zum Felde in ihrer Arbeit, mit welchen geprägten Sachgehalten aus den Psalmen sich das Ijobbuch auseinandersetze und inwiefern die Rezeption geprägter Sachverhalte aus den Psalmen im Hiobbuch Traditionen bestätigen, verändern oder fortbilden (16).

Im Verlauf ihrer Arbeit beschäftigt sich Nina Meyer zum Felde zunächst mit dem Vorstellungskomplex Leben und Tod als Grundlage eines Vergleichs von Ijobbuch und Psalmen, wobei sie die Psalmentexte Ps 13 und Ps 23 paradigmatisch für diesen Vergleich heranzieht. In ihrer weiteren Untersuchung über Ijobs Weg zu seinem persönlichen Gott befasst sich die Autorin sodann mit Ijob 3 als Ernstfall der (gestörten) Gottesbeziehung und Beginn des langen Leidens- und Erkenntnisweges Ijobs zu seinem persönlichen Gott, mit der Suche Ijobs nach Entlastung von der bedrohlichen Gottesnähe und mit Ijobs Ringen um (kontrafaktisches) Vertrauen auf JHWH trotz dessen feindlicher Attacken gegen ihn sowie mit den weiteren Stationen von Ijobs Weg in der Buchkomposition.

In ihrer Interpretation der Rezeption und Um­­formung der traditionsgesättigten Psalmensprache im Ijobbuch zeigt Nina Meyer zum Felde, dass das Ijobbuch nicht nur als traditionsverändernder, traditionsfortbildender und traditionskonformer Text charakterisiert werden könne, sondern auch als kritische Evaluation, die Am­­bivalenzen aufdecke sowie als theologische Neuinterpretation geprägter Sachverhalte aus den Psalmen. Somit seien Präzisierungen an gängigen Kategorien zur Beschreibung der Rezeption geprägter Sachverhalte, wie sie gängige Methodenbücher bieten, und am traditionsgeschichtlichen Vorgehen notwendig (238).

Nina Meyer zum Felde bietet in ihrer Arbeit eine Reihe von Anregungen für traditionsgeschichtliche Untersuchungen ebenso wie für die Einzelexegese des Ijobbuches.

 

Sonja Feldmar
Eschatologische Fortschreibungen im Buch Hiob
(Forschungen zum Alten Testament/2. Reihe; 111)
Tübingen (Mohr Siebeck) 2019
316 S., € 89,00, ISBN 979-3-16-156866-4


Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich um die im Wintersemester 2016/2017 vom Fachbereich Evangelische Theologie der Goethe- Universität Frankfurt am Main angenommene Dissertation der Autorin, die für den Druck überarbeitet wurde. Sonja Feldmar befasst sich in ihrer Arbeit mit den sogenannten »eschatologischen Glossen« im Ijobbuch, das heißt mit jenen Texten, die eine Überwindung der Todesgrenze thematisieren. »An Fortschreibungen innerhalb des hebräischen Hiobbuches, die eine Hoffnung über die Todesgrenze hinaus ausdrücken, lässt sich dann die Eschatologisierung eines weisheitlichen alttestamentlichen Buches nachzeichnen.« (2) Die grundlegenden Motive sind das Gericht Gottes und die Auferstehung Ijobs, die Ausdruck einer jenseitigen Bestrafung der Frevler und eines postmortalen Ins-Recht-Setzen Ijobs sind.

Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die eschatologischen Fortschreibungen in Ijob 14,12b; 19,28f.; 31,11f.23.28 sowie Ijob 29,18–20. Dabei sucht Sonja Feldmar in ihrer philologischen Analyse auch den Vergleich mit antiken Übersetzungen (Septuaginta, Vulgata, Qumrantexte, frühmittelalterliches Ijobtargum), um Weiterentwicklungen oder Änderungen der eschatologischen Vorstellungen untersuchen zu können.

Während Ijob 19,28f. und Ijob 31,11f.14.23.28 vermutlich aus derselben Hand stammten und die Gerichtsvorstellung in die Endzeit verlagerten, seien Ijob 29,18–20 und Ijob 14,12ab isolierte Zusätze, die Vorstellungen der Auferstehung in den Text eintrügen (274). Sonja Feldmar ordnet die Zusätze in Ijob 19; 31 als früheste Stufe der eschatologischen Fortschreibungen im Ijobbuch ein; das alleinige Endgericht über die Frevler diente den Frommen zur Warnung und Mahnung. Hingegen setzten die Stellen in Ijob 29 und Ijob 14 eine ausgebildete Vorstellung der Auferstehung der Toten voraus. Somit kann Sonja Feldmar konkludieren, dass der Eschatologisierungsprozess des Ijobbuches den sogenannten Tun-Ergehen-Zusammenhang, der für jeden Menschen einen diesseitigen gerechten Ausgleich fordere, ins Jenseits verlagere (277). Die Antwort auf die alte Frage, wie Gott als gerecht gedacht werden könne, wenn doch der unschuldige und fromme Ijob leiden müsse, würden nun die eschatologischen Strömungen bieten können: einerseits postmortaler Ausgleich durch ein jenseitiges Gericht für die Frevler sowie andererseits postmortale Restitution des Frommen.

Sonja Feldmar legt mit ihrer Publikation über die eschatologischen Fortschreibungen im Buch Ijob eine die Forschungen zum Ijobbuch bereichernde Untersuchung vor.

 

Clemens Heydenreich
Revisionen des Mythos:
Hiob als Denkfigur der Kontingenzbewältigung in der deutschen Literatur
(Hermaea; N.F., Bd. 135)
Berlin, Boston (De Gruyter) 2015
252 S., € 79,95, ISBN 978-3-11-036374-6


Gabrielle Oberhänsli-Widmer
Hiob in jüdischer Antike und Moderne.
Die Wirkungsgeschichte Hiobs in der jüdischen Literatur
Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht)
2. Auflage 2017
366 S., € 37,99, ISBN 978-3-7887-3171-7


Bei der Publikation von Clemens Heydenreich handelt es sich um seine Arbeit, die 2011 an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg als Dissertation im Fach Neuere deutsche Literaturgeschichte angenommen wurde. Der Arbeit liegt die These zugrunde, dass das Thema des Ijobbuches das Problem der Erfahrung und Bewältigung von Kontingenz sei und dass in der Zone zwischen Religion und Literatur das Ijobbuch als Urtext stehe, der Kontingenz nicht nur bewältige, sondern auch konkret von ihr erzähle: »davon, wie menschliches Bewusstsein für das Problem der Kontingenz allererst aufkommt und sich stufenweise verfestigt, davon, welche disparaten Ansätze es dazu geben kann, mit ihr umzugehen, aber auch davon, als wie unlösbar dieses Problem letztlich verbleibt – und nicht zuletzt davon, dass es die Literatur selbst ist, der die kulturelle Funktion zusteht, seine Aporien wenn nicht zu lösen, so doch gestaltet abzubilden.« (6) Für seine Untersuchung wählt Clemens Heydenreich Texte vom 12. bis 20. Jahrhundert aus: u. a. Hartmann von Aue: Der Arme Heinrich (um 1200), Heinrich Heine: Romanzero (1851) und Geständnisse (1854), Nelly Sachs: Hiob (1949), Johannes R. Becher: Hiob (1949), Günter Kunert: Biblische Geschichte II (1977).


Gabrielle Oberhänsli-Widmer setzt sich in ihrer Publikation mit der Wirkungsgeschichte der Gestalt Ijobs in der jüdischen Tradition auseinander. Während es im ersten Teil der Untersuchung um Ijob in der jüdischen Antike geht, setzt sich der zweite Teil mit Ijob in der jüdischen Moderne auseinander. Im ersten Teil befasst sich Gabrielle Oberhänsli-Widmer zunächst mit dem biblischen Original als Vorlage der späteren Rezeption, um sodann Ijob im frühjüdischen Schrifttum (das Testament Hiobs, die Targumin zu Ijob) und in Midrasch und Talmud zu untersuchen. Der erste Teil schließt somit mit der rabbinischen Sicht auf dem Hintergrund der Hebräischen Bibel und des Frühjudentums. Der zweite Teil befasst sich zunächst mit Ijob zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Rachel Bluwstein: Meine Bibel ist aufgeschlagen im Buche Hiob [1931]; Isaak Leib Perez: Bontsche Schweig [1894]; Joseph Roth: Hiob. Roman eines einfachen Mannes [1930]), sodann mit Hiob als Deutefigur der Schoa (Erste Reaktionen 1946: Margarete Susman und Zvi Kolitz; Hiob in deutsch-jüdischer Lyrik; Hiob im Kontext jüdischer Holocaust-Theologien) und schließt mit Anmerkungen zu Ijob in der modernen israelischen Literatur (Hiob als Protest-Figur; Chanoch Levin: Die Leiden Hiobs [1981]; Jossel Birstein: Nenn mich nicht Hiob [1995]).

Gabrielle Oberhänsli-Widmer stellt zunächst heraus, dass sich Ijob mit dem Testament Hiobs im Frühjudentum und im frühen Christentum einer ungebrochenen Wertschätzung als gottergebener Dulder erfreue, dass aber in der Spätantike der jüdische und der christliche Ijob ganz getrennte Wege gehen würden (333). Jede Kultur würde aus dem alttestamentlichen Helden ihre je eigene Gestalt entwickeln und jede Epoche sowie Geistesströmung ihrem besonderen Ijob-Bild begegnen, in dem sich ihre spezifischen Probleme, Anliegen und Nöte spiegelten, wie die Autorin auch in Hinblick auf die religiösen Einstellungen herausstellt (334f.): »religiös schließlich durchläuft Hiob seine turbulenteste Entwicklung, denn während er im biblischen Text auf differenzierte Art mit Gott um eine Antwort nach Grund und Sinn des Leidens ringt und dabei in sich die gegensätzlichen Rollen von Dulder und Rebell vereinen kann, macht das hellenistische Frühjudentum aus ihm einen Verfechter für Armenunterstützung und Auferstehungslehre, demgegenüber erklären die Lehrer von Talmud und Midrasch Hiob mehr oder weniger einmütig zum Kolporteur von gotteslästerlichem Gedankengut, zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist Hiob ein frommer orthodoxer Jude und selbst während und kurz nach der Schoa spart er nicht mit Liebeserklärungen an Gott, doch in der israelischen Literatur wendet er sich immer mehr von Gott ab und endet an der Schwelle zum 21. Jahrhundert als Atheist.« Und hinsichtlich des Verhältnisses der modernen Ijob-Literatur zur biblisch-rabbinischen Tradition verweist Gabrielle Oberhänsli-Widmer auf den prinzipiellen Unterschied zwischen der antiken, speziell der rabbinischen, und der modernen Ausgestaltung des Ijob-Stoffes, der in dem Sachverhalt liege, »dass im 20. Jahrhundert Gott auf der Anklagebank sitzt, während Hiob das ungeteilte Mitgefühl seiner Leserschaft genießt.« (341)

Trotz aller Spannweite der Ijob-Interpretationen sind jedoch ebenfalls konstante Faktoren zu nennen, wie Gabrielle Oberhänsli-Widmer herausstellt. So sei allen Texten zu Ijob gemeinsam, dass sie nach einer Sinngebung des Leidens fragten (337); die Frage nach der Verantwortlichkeit Gottes gegenüber dem Bösen in der Welt sei fester Bestandteil beinahe jedes Ijob-Textes, sodass der Ijob-Stoff zu einem eigentlichen Forum dafür werde, das Spannungsfeld zwischen Gott, Mensch und Leid auszuloten. Bei allen divergierenden theologischen Positionen bleibt »sowohl den alttestamentlichen Verfassern als auch allen späteren Hiob-Autoren [gemeinsam] das Bewusstsein, den Sinn des Leidens nie befriedigend ergründen zu können.« (339)

Gabrielle Oberhänsli-Widmer legt mit der vorliegenden Publikation eine überaus anregende und lesenswerte Studie zur Wirkungsgeschichte Ijobs in der jüdischen Literatur vor.

 

Leonie Ratschow
Eine törichte Frau und drei schöne Töchter.
Eine wirkungskritische Studie zu den Frauenfiguren im Hiobbuch im frühen Judentum
(Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte; Band 61)
Leipzig (Evangelische Verlagsanstalt) 2019
360 S., € 98,00, ISBN 978-3-374-05452-7


Die vorliegende Arbeit wurde im Jahr 2017 von der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig als Dissertation angenommen. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die frühjüdisch-hellenistische Wirkungsgeschichte der Frauenfiguren des biblischen Ijobbuches. »Die Frau Hiobs und seine Töchter stellen ausgesprochene Randfiguren dar«, wie Leonie Ratschow anmerkt, »die eine erstaunliche Resonanz in der antiken und mitunter auch der modernen Wirkungs- und Interpretationsgeschichte des Hiobbuches fanden.« (14) In ihrer Analyse bezieht sich Leonie Ratschow auf das hebräische Hiobbuch, die Septuaginta sowie die pseudepigraphe Schrift »Das Testament Hiobs«. Leonie Ratschow erläutert zunächst die theoretischen Grundlagen zur hermeneutischen Relevanz von Wirkung und der interdisziplinären Wirkungsforschung. Sie befasst sich sodann mit den Frauenfiguren in der antiken Ijobüberlieferung aus der Wirkungsperspektive sowie mit der wirkungskritischen Analyse der Frauenfiguren im Wirkungszeugnis »Das Testament Hiobs«. Im Anschluss daran bietet sie eine wirkungskritische Betrachtung der Handlung und erhellt das emotionale Wirkungspotential der Frauenfiguren im biblischen Ijobbuch.

Nach der wirkungskritischen Analyse und Interpretation erfahren die Frauenfiguren im Testament Hiobs eine Ausgestaltung, allerdings ohne dabei aufgewertet zu werden. »Die Frauen bilden im TestHi Kontrast- oder Spiegelungs­figuren zu Job und seiner Bekehrung. Im masoretischen Hiobtext bleiben die Frauen unvollständige Figuren. Sicherlich ist diese Unvollständigkeit der Tatsache geschuldet, dass das Hiobbuch die Geschichte Hiobs erzählt und nicht die seiner Frau und Töchter.« (341) Leonie Ratschow erkennt in der Einsicht, dass das Ijobbuch kein besonderes Interesse an den Frauen­figuren habe, einen hermeneutischen Schlüssel für ihr Verständnis. So stellt sie am Ende ihrer Untersuchung heraus: »Die Frauenfiguren sind nicht als Frauen von Bedeutung und gerade darin liegt ihre Gleichberechtigung. Im Gegensatz zum TestHi treten die Frau Hiobs und seine Töchter als Figuren auf, deren Geschlecht nicht über ihren Wert, ihre Qualität und ihre Rechte entscheidet. Die Frau hat dasselbe Recht, Hiob mit seiner zerrütteten Gottesbeziehung zu konfrontieren wie später die Freunde. Sie hat diesen sogar voraus, dass Hiob für sie im Epilog keine Fürbitte halten muss, um Gottes Zorn zu zähmen. Die Töchter wiederum haben dasselbe Recht, schön und reich zu sein, wie es alle männlichen Erben haben, ohne sich einer bestimmten Ehepflicht versprechen zu müssen. Sie haben ihren Brüdern sogar noch die Namen voraus.« (342)

Die vorliegende Publikation sowie die Reihe, in der sie erschienen ist, belegen einmal mehr die Bedeutung wirkungskritischen und wirkungsgeschichtlichen Arbeitens.

 

Daniel Barth/Marie-Claire Barth-Frommel
»Ich gebe auf und tröste mich«.
Die Psychodynamik von sinnlosem Leid im Buch Hiob. Psychoanalyse und Theologie im Dialog
Frankfurt a. M. (Brandes & Apsel) 2018
188 S., € 24,90, ISBN 978-3-95558-225-8


Die vorliegende Publikation bietet einen theologisch-exegetischen sowie einen psychoanalytischen Teil, wobei der theologisch-exegetische Teil um ein von Hans-Anton Drewes verfasstes Kapitel zur Auslegungsgeschichte ergänzt wird (Johannes Chrysostomos, Augustinus, Thomas, Luther, Calvin, Barth), während der psychoanalytische Teil um ein Kapitel zur psychoanalytischen Literatur über das Buch Ijob angereichert wird. Ein Anhang bietet zudem den Ijob-Text im Koran. In ihrer Einleitung führen Daniel Barth und Marie-Claire Barth-Frommel aus, dass ihre Publikation der Versuch sei, »zu verstehen, wie es Hiob vor der Gottesbegegnung ging, was während der Gottesbegegnung geschah und vor allem, wie es Hiob gelang, sich zu trösten, bevor er getröstet wurde.« (11)

Das psychoanalytische Verständnis des Ijob-Buches geht nach Daniel Barth von fünf großen Grundfragen aus (128ff.). 1. Das unbedingte Leiden: So weigere sich Ijob sein Leiden durch irgendwelchen Trost zu schmälern; er versuche vielmehr zu verstehen. 2. Das Erwachen des Denkens in einer Welt des Leidens: Ijob bestehe darauf, dass er schuldlos leide. Es sei eine großartige Leistung Ijobs, einerseits das Leid auszuhalten und andererseits dem Verstehen der Ursache des Leids Raum zu geben. 3. Die kon­struktive Rolle des Zweifels: Die Konzepte der Freunde würden durch Ijob infrage gestellt und der Weg für die Frage des Zufalls werde geöffnet. Ijob weigere sich, sein Leiden als Folge seiner Fehler zu sehen. 4. Die Sehnsucht des Menschen nach dem Unbewussten: Ijob komme mit seinem Unbewussten in Kontakt. Er wolle sich nicht mit den Pseudo-Erklärungen seiner Freunde zufriedengeben, der unaushaltbare Schmerz führe ihn zu einer inneren Verlassenheit und Leere, in der Raum für Neues entstehe. 5. Momente des »existentiellen Seins« (Kontakt mit dem Unfassbaren, Gotteserfahrung) können nicht beschrieben, aber erlebt werden: Ijob komme zu der Erkenntnis, dass die Liebe (Gott als Schöpfer) und der Hass (Gott als Zerstörer) mit keiner Erklärung sinnvoll zusammengebracht werden könnten; alle Erklärungsmodelle scheiterten. Hingegen könne dieser Widerspruch erlebt werden, wie dies in der Begegnung zwischen Gott und Ijob geschehe. Ijob stehe dafür ein, dass eine letztendlich unverständliche Kraft in uns dynamisch handele.

Die in ihrem Aufbau überzeugende Publikation bietet eine Reihe von Anregungen für die Auseinandersetzung mit dem psychoanalytischen Verständnis des Ijob-Buches.

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