Literatur zum Heftthema


Marc Wischnowsky, Michaela Veit-Engelmann
Judit
Mit Kopf, Herz und Hand
(Biblische Gestalten, 35)
Leipzig (Evangelische Verlagsanstalt) 2025
258 S., 25,00 €
ISBN 978-3-374-07785-4

Als ein »Drama in drei Akten« präsentieren Marc Wischnowsky und Michaela Veit-Engelmann das biblische Buch Judit und laden ein zu einem spannenden Theater- bzw. Leseerlebnis, zu einem überraschenden Blick in und hinter die Kulissen und zu einer persönlichen Begegnung mit einer vielschichtigen Hauptdarstellerin. Der in der Reihe »Biblische Gestalten« in diesem Jahr neu erschienene Band widmet sich – nach den Veröffentlichungen zu Rut (2004) und Ester (2024) – dem dritten und damit letzten Buch des Alten Testaments, das den Namen einer Frau trägt, und erweitert damit die noch unterrepräsentierten weiblichen Porträts. In für die Buchreihe gewohnt eingängiger und übersichtlicher Weise gelingt dem theologisch versierten und religionsdidaktisch erfahrenen Autor:innen-Duo ein zugleich einladendes und gehaltvolles »Programmheft« für ein breites, interessiertes Publikum.
Die Besonderheiten des Judit-Buches als jüdische Schrift, die ursprünglich auf Griechisch und vergleichsweise spät verfasst wurde, werden im ersten Teil (A. Einführung) wie verschiedene Lagen eines aufwändigen Bühnenbildes nach und nach enthüllt. Niedrigschwellig und doch präzise wird eine jüdisch-christliche sowie eine interkonfessionelle Kanongeschichte dargeboten (A. 1–4), gefolgt von einer Darstellung der vielfältigen innerbiblischen Textbezüge (A. 5–8). So wird das Judit-Buch sichtbar als »ein Kunstwerk, das sich lesen und verstehen lässt als Relektüre der Geschichte Israels insgesamt« (S. 54).
Mit dem zweiten Teil (B. Darstellung) beginnt die angekündigte Theatervorstellung und die Handlung des Judit-Buches wird in Szenen gegliedert nacherzählt, kommentiert und vertieft (B. 1.1–5). Trotz zahlreicher, z.T. in kleinerem Schriftbild dargebotener inhaltlicher Exkurse bleiben der biblische Handlungsstrang und seine Protagonistin der Mittelpunkt des Bühnengeschehens. Dies gilt auch für die im Anschluss entfalteten theologischen Einzelthemen (B. 2.1–7). Besondere Aktualität haben dabei die Ausführungen zu Gewalt und Moral, Heiligem Krieg und Tyrannenmord sowie zur Rolle und Gefährdung von Frauen in kriegerischen Auseinandersetzungen. Die Autor:innen betonen: »Gott selbst setzt den Kriegen ein Ende. Denn gerade darin zeigt sich aus Sicht des Juditbuches Gottes wahres Gottsein.« (S. 169)
Anhand ausgewählter Beispiele aus der religiösen und künstlerischen Rezeptionsgeschichte gewährt die Hauptdarstellerin im dritten Teil (C. Wirkung) einen Einblick in den ihr zugewachsenen Kostümfundus. Mit gekonnter Sensibilität für patriarchale Machtverhältnisse und misogyne Stereotype demaskieren Wischnowsky und Engelmann die mehrheitlich männlichen Künstler und Autoren von Hieronymus bis Hebbel. Ein gänzlich anderes Bild schafft hingegen die italienische Barockmalerin Artemisia Gentileschi (C. 3) und kommt damit der explizit jüdischen Judit gekonnt nahe: »gottesfürchtig und mutig, selbstlos, klug und voller Gottvertrauen« (S. 245) – eine Frau mit Kopf, Herz und Hand.
Die vorliegende Neuerscheinung aus der Evangelischen Verlagsanstalt ist insgesamt eine hilfreiche und mit viel Freude und Wissensgewinn zu lesende Begleiterin durch die einnehmende und mitunter herausfordernde Welt des biblischen Judit-Buches. Und auch so manche Nachlässigkeit bei der grafischen Aufbereitung der Tabellen und inhaltlichen Einbindung der Abbildungen kann den verdienten Applaus nicht dämpfen.


Barbara Schmitz, Helmut Engel
Judit
(HThKAT)
Freiburg (Herder) 2025
432 S., 95,00 €
ISBN 978-3-451-26820-5

Bereits beim ersten Blättern im Kommentar zum Buch Judit von Barbara Schmitz und Helmut Engel fällt die Besonderheit dieser Arbeit ins Auge: Die griechische Schrift dominiert – und das in einem fachwissenschaftlichen Band zum Alten Testament. In der Diskussion um die Originalsprache und den Entstehungskontext des Judit-Buches verfolgen die beiden Autor:innen zwei zentrale Anliegen: Sie haben es sich zum einen zur Aufgabe gemacht, erneut den Beweis zu führen, dass das Judit-Buch ursprünglich auf Griechisch (und nicht auf Hebräisch oder Aramäisch) verfasst wurde und sein sprachlicher Bezugstext daher die Septuaginta (LXX), also die ins Griechische übertragene und um weitere Schriften ergänzte Hebräische Bibel, ist. Daraus leitet sich zum anderen die Notwendigkeit ab, die hellenistische Umwelt der Hasmonäerzeit als sachlichen Bezugskontext ernst zu nehmen. Sie versprechen: »So ergibt sich gegenüber bisherigen Kommentaren ein neuer Bezugsrahmen. Ihn beachtet unsere Auslegung erstmals konsequent und durchgehend.« (S. 7) Ein einfaches, jedoch augenfälliges Beispiel sind die verwendeten Figuren- und Ortsnamen: Aus dem im biblischen Kontext geläufigen Namen des babylonischen (bzw. im Judit-Buch assyrischen) Herrschers »Nebukadnezzar« wird beispielsweise in einer der griechischen möglichst nahen Form »Nabuchodonosor«.
Mit Barbara Schmitz, Professorin für Altes Testament und biblisch-orientalische Sprachen an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Würzburg, und dem 2020 verstorbenen Jesuiten Helmut Engel, emeritierter Professor für Einleitung in die Heilige Schrift und Exegese des Alten Testaments an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main, schreiben zwei ausgewiesene Expert:innen für die griechischsprachigen Texte des alttestamentlichen katholischen Kanons. Barbara Schmitz wird ihre Forschungen zum Judit-Buch im kommenden Jahr in einem neuen DFG-Projekt fortsetzen, das eine Neubewertung der Textgeschichte anhand der in unterschiedlichen Sprachen überlieferten Handschriften zum Ziel hat. Der vorliegende gemeinsame Kommentar mit Helmut Engel entstand in einem jahrlangen intensiven Austauschprozess. Der Band erschien bereits 2014 im renommierten »Herders Theologischen Kommentar zum Alten Testament« und richtet sich entsprechend an eine fachkundige Leser:innenschaft. Auf eine umfangreiche bibelwissenschaftliche und rezeptionsgeschichtliche Literatursammlung sowie eine stark verdichtete Einleitung in das Judit-Buch schließen sich abschnittsweise Übersetzung und Kommentar an. Dabei konzentrieren sich die beiden Autor:innen auf eine narratologische Analyse und greifen hierfür methodisch auf ein »close reading« des Textes sowie die Identifikation von »Leitwörtern« zurück.
Das Lesen dieser mitunter voraussetzungsreichen bibelwissenschaftlichen Arbeit wird durch eine äußerst übersichtliche und ansprechende Gestaltung der Buchseiten erleichtert. Zu nennen sind inhaltliche Stichworte am äußeren und fortlaufende Versangaben am inneren Seitenrand sowie Vergleichstabellen für ausgewählte Wort- oder Stellenanalysen, Karten zur geographischen Orientierung und ein umfangreiches Stellenregister. Präzise und übersichtlich ist auch die angebotene Gliederung des Judit-Buches insgesamt (S. 45–49), derer der Kommentar in seinem Aufbau folgt. Diese Aspekte verleihen der Veröffentlichung zusätzlich die Eignung als Nachschlagewerk, um bestimmte Textstellen oder Fragestellungen zu vertiefen. Ganz im Sinne der biblischen Judit, die Schmitz und Engel anerkennend charakterisieren als »denkende, argumentierende und tatkräftige Frau« (S. 7).


Claudia Rakel
Das Buch Judit
Über eine Schönheit, die nicht ist, was sie zu sein vorgibt
erschienen in:
Luise Schottroff, Marie-Theres Wacker (Hg.)
Kompendium Feministische Bibelauslegung
Gütersloh (Gütersloher Verlagshaus) 1998
832 S., 125,00 DM (vergriffen)
ISBN 978-3-579-00391-7

Der Griff zum »Kompendium Feministische Bibelauslegung« ist auch 25 Jahre nach seinem erstmaligen Erscheinen immer noch lohnenswert und sei in diesem speziellen Fall sogar besonders empfohlen: der zwölfseitige Beitrag von Claudia Rakel zum Buch Judit. Die Autorin verfügt über eine beachtliche thematische Expertise: Sie wurde mit einer Arbeit zum Judit-Buch promoviert und ist dessen Übersetzerin für die »Bibel in gerechter Sprache«. Dennoch resultiert aus dieser Nähe keine begeisterte Parteinahme für die biblische Schrift und ihre Protagonistin, sondern evoziert ein kritisch-intensives Ringen. Dieses ist geschult von literaturwissenschaftlichen Methoden und feministisch-exegetischen Perspektiven – »immer zwischen den Polen des Verdachts gegenüber den androzentrischen Strukturen des Textes und des Vertrauens in ein mögliches herrschaftskritisches Potential« (S. 411). Aufgrund der Kürze des Beitrags sind weder eine detaillierte Wiedergabe des erzählten Geschehens noch spezifische Ausführungen zum sozialgeschichtlichen Kontext zu erwarten. Vielmehr wirft die Autorin einen differenzierten Blick auf inhaltliche Aspekte, die der Bibeltext selbst vorgibt: Krieg – Gewalt – Schönheit.
Zentrales Anliegen des Judit-Buches ist es, JHWH, den Gott Israels, im Gegenüber zu weltlichen Herrschern als denjenigen auszuweisen, der Kriegen ein Ende setzt und für die Schwachen und Unterdrückten eintritt. Judit kommt die Aufgabe zu, diese Botschaft zu transportieren (insbesondere in ihren großen Gebeten in Jdt 9 und 16) – und sie gleichzeitig ambivalent zu verkörpern. Denn die ihr zugedachte Konfliktaustragung mittels Verführung und List verfestigt weibliche Rollenklischees.
Am Beispiel von sexualisierter Gewalt als Kriegswaffe hingegen präsentiert sich das Judit-Buch als sensibel für die Verwobenheit geschlechtsspezifischer und imperialistischer Gewaltstrukturen und bezieht klar Position: »Nicht nur das Leid eines Volkes in Kriegszeiten [wird] thematisiert, sondern das Juditbuch zeigt auch die spezifischen Leiderfahrungen von Frauen im Krieg auf. Drohende Vergewaltigung von israelitischen Frauen und von Judit werden verhindert, weil JHWH durch Judit den Krieg verhindern konnte.« (S. 415) Diese Haltung lassen sowohl die Bibel als Ganze als auch die exegetische Tradition allzu oft vermissen, kritisiert Rakel.
Judits vielgerühmte Schönheit wird ebenfalls einer differenzierten Analyse unterzogen. Als bewusste erotische Inszenierung und damit widerständige Strategie entmachtet sie das männliche Kalkül, das Frauen allein auf ihre äußere Erscheinung reduziert. Zugleich befeuert das verführerische Auftreten Judits das Stereotyp einer per se gefährlichen weiblichen Sexualität und verkehrt damit die subversive Intention ins Gegenteil.
Am Ende des Buches stehen sich Judits aktives Auftreten als »Retterin Israels, die einen Krieg verhindert hat« (S. 420), und ihr männlich honoriertes »asketisches Witwendasein« (S. 418) gegenüber. Diese Ambivalenz und Vielschichtigkeit kann und will der Beitrag nicht auflösen. Es braucht vielmehr Aufmerksamkeit und Mut, den Ausführungen Rakels zu folgen und sich von ihnen herausfordern zu lassen. Eine eigenständige Lektüre des Judit-Buches ist dafür gewinnbringende Voraussetzung.

Sonja Weeber


Deuterokanonische Schriften bald auch in der BasisBibel
Die BasisBibel ist seit 2021 als vollständige Bibelübersetzung erhältlich – allerdings bisher nur in der evangelischen Fassung des Alten Testaments. Es fehlen also die deuterokanonischen Schriften, die für katholische Leser:innen ebenfalls zum Alten Testament gehören. Die einfach verständliche Sprache der BasisBibel hat jedoch auch im katholischen Raum großen Anklang gefunden. Deshalb arbeitet die Deutsche Bibelgesellschaft seit Herbst 2024 daran, die deuterokanonischen Bücher des Alten Testaments in die BasisBibel zu integrieren.
Das Ziel: Eine Bibel, die für alle Konfessionen nutzbar ist – im persönlichen Lesen genauso wie in der bibelpastoralen Arbeit. Am Projekt sind erfahrene Übersetzer:innen mit evangelischem und katholischem Hintergrund beteiligt. Auch neue Fachleute wie Dr. Elisabeth Birnbaum vom Katholischen Bibelwerk Österreich sind dabei.
Die Übersetzungen der Bücher Tobit, Weisheit und 1. Makkabäer sind bereits weit fortgeschritten, die weiteren Bücher, darunter das Buch Judit, folgen. Die Veröffentlichung ist für Januar 2028 geplant. Dann soll es zwei Ausgaben geben: eine mit der katholischen Reihenfolge der Bücher (wie in der Einheitsübersetzung) und eine nach den ökumenischen Richtlinien, bei denen die deuterokanonischen Schriften zwischen Altem und Neuem Testament eingeordnet werden.

Michael Jahnke

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