Matthias Blum

Literatur zum Heftthema


Samuel Han
Der »Geist« in den Saul- und Davidgeschichten des 1. Samuelbuches
(Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte; Band 51)
Leipzig (Evangelische Verlagsanstalt) 2015
240 S., € 88,00, ISBN 978-3-374-04177-0

Die Publikation, die im Jahr 2014 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen wurde, befasst sich mit der Funktion und Bedeutung des Geistesverständnisses in Hinblick auf das Entstehen des Königtums in Israel. Samuel Han konzentriert sich dabei auf das 1. Samuelbuch, respektive 1 Sam 9,1–10,16; 11,1–11; 16,1–13; 16,14–23; 18,10–12; 19,8–10 und 19,18–24. Der historisch-kritischen Analyse dieser einschlägigen Stellen gehen im 2. Kapitel semantische Beobachtungen zu »ruach« und im 3. Kapitel Anmerkungen zur Forschungsgeschichte voraus. Samuel Han macht deutlich, dass der göttliche Geist in den Erwählungserzählungen der beiden Könige Saul und David ihre besondere Gottesnähe offenbare. Allerdings diene der göttliche Geist nicht nur der königlichen Legitimation, sondern auch der Delegitimation. Der Geistbesitz wird David dauerhaft zugesprochen, während dieser von Saul weicht, der darüber hinaus von einem bösen Geist beherrscht wird. »Den ausschlaggebenden Wendepunkt in der Geschichte des Aufstiegs Davids und des Untergangs Sauls markiert der Zeitpunkt, an dem der Geist Gottes bzw. JHWHs mit einem ist oder von einem gewichen ist. […] Im Falle Sauls hat der Autor den andauernden Geistbesitz nicht benötigt, weil er nur einen die Herrschaft Sauls legitimierenden Beweis geben wollte. Anders ist es aber beim Autor der Aufstiegsgeschichte, weil er die Charakteristika von Saul und seiner Herrschaft berücksichtigen musste. Um David zum wahren König zu machen, ist es unabdingbar, die Grundlage der Legitimität Sauls zu zerstören, indem schon die Anfänge seiner Herrschaft in ein Zwielicht getaucht werden. Dazu dienen die neuen Aspekte der ruach-Vorstellung. Sie erweisen die große Überlegenheit Davids gegenüber Saul; sein Abstieg und Davids Aufstieg sind durch Geistverlust bzw. emphatische Zusage göttlich sanktioniert.« (210)
Samuel Han legt mit seiner Studie eine lesenswerte Publikation vor.


Stefan Eckhard
Zeichen und Geist
Eine semiotisch-exegetische Untersuchung zum Geistbegriff im Markusevangelium
(Neutestamentliche Entwürfe zur Theologie; Band 27)
Tübingen (Narr Francke Attempto) 2018
271 S., € 68,00, ISBN 978-3-7720-8663-2

In seiner Studie, die im Sommersemester 2017 von der Katholisch-theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Habilitationsschrift angenommen wurde, wählt Stefan Eckhard die Semiotik Charles Sanders Peirce (1839–1914) als Referenzpunkt seiner Auseinandersetzung.
Peirce subsumiert die Beziehungen zwischen Zeichen, Objekt und Interpretant unter einem triadischen Zeichenbegriff. Der Erkenntnisprozess wird als eine Relation zwischen Erkennenden und Erkanntem verstanden, während die formale Struktur dieser Relation untersucht wird. »Menschliche Erkenntnis besteht aus Zeichen«, wie Stefan Eckhard anmerkt, »und sie geschieht in Zeichen. Menschliches Denken ist notwendig an Zeichen gebunden.« (17) Im Anschluss an die Konzeption von Peirce sind religiöse Symbole als Zeichen zu verstehen. Für Stefan Eckhard ließen sich nun die semiotischen Aspekte mit theologischen Momenten in Hinblick auf die Geistthematik in Verbindung bringen. »Die Rede vom Geist Gottes trifft den Kern des christlichen Offenbarungsverständnisses. In ihm zeigt sich Gott als lebendiger, wirkmächtiger und menschenzugewandter Gott. Der Geist Gottes hat also hermeneutische Funktion. Er trifft den menschlichen Geist und erschließt das göttliche Sein als der menschlichen Vernunft einsichtig. Offenbarung geschieht im Geist, und der Geist erscheint im Zeichen. Damit verbindet sich die göttliche Welt mit der menschlichen Welt.« (52) So erfordere das Offenbarungsereignis den »Geist« als buchstäblich notwendiges »Mittel« für einen gelingenden Erkenntnisvorgang. »Der Geist lässt sich daher im semiotischen Kontext mit dem Zeichen identifizieren.« (251)
Viele exegetische Arbeiten, die sich in der Vergangenheit als semiotisch verstanden, nahmen Bezug auf die Semiotik von Algirdas Julien Greimas und damit auf die sprachwissenschaftliche Zeichentheorie Ferdinand de Saussures; ihr Ertrag lag auf dem Feld der Erzähltheorie. Mit der Publikation von Stefan Eckhard liegt nun eine Studie zum Markusevangelium vor, die zeigt, wie gewinnbringend eine semiotische Exegese, die sich auf die Zeichentheorie von Peirce bezieht, sein kann.


Hildegard Scherer
Geistreiche Argumente
Das Pneuma-Konzept des Paulus im Kontext seiner Briefe
(Neutestamentliche Abhandlungen; N.F., Bd. 55)
Münster (Aschendorff) 2011
293 S., € 50,00, ISBN 978-3-402-11438-4

Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich um die redigierte Fassung der Arbeit, die im Wintersemester 2009/10 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen wurde. In ihrer Studie befasst sich Hildegard Scherer mit den pneuma-Aussagen des Paulus, der keine systematische Pneumatologie vorgelegt hat. Sie untersucht das paulinische Pneuma-Konzept, die Relevanz der Rede vom Pneuma sowie das kommunikative Spezifikum der Rede vom Pneuma in den Briefen an die Gemeinden in Korinth, Galatien und Rom. Paulus setzte bei seinen Adressaten die Überzeugung, das Pneuma empfangen zu haben, als Gruppenkonsens voraus. Nach Hildegard Scherer lassen sich vier Muster für die konzeptionelle Gestaltung des Pneuma aufzeigen: 1. Pneuma als Offenbarungs- und Erkenntnismedium; 2. Pneuma als Lebens- und Gestaltungsmacht des Schöpfers; 3. Pneuma als Garant der ethischen Ordnung sowie 4. Pneuma als Chiffre göttlicher Präsenz. So hätten Menschen mit dem Pneuma bereits einen göttlichen Anteil in sich, und Paulus beziehe dies sowohl auf die Gesamtgruppe der Christusgläubigen als auch spezifisch auf Einzelne (257). Das Pneuma fungiere als »identity marker«, der über bisherige soziale und religiöse Grenzen Menschen zu einer neuen Gruppe integrieren könne, wobei die Pneuma-Konzepte sowohl aus biblisch-jüdischer als auch römisch-hellenistischer Warte aus Evidenz hätten (258ff.).
Hildegard Scherer legt eine lesenswerte Studie zum paulinischen Pneuma-Konzept vor.

Weitere Besprechungen zum Heftthema finden Sie in der Biblischen Bücherschau auf www.bibelwerk.de/verein/buecherschau. Dort stellt Matthias Blum weitere Bücher in englischer Sprache vor.
 

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