Elisabeth Birnbaum

Literatur zum Heftthema


Das Themenfeld Einsam-allein ist groß, in Zeiten der Corona-Pandemie boomten Bücher darüber. Vor allem Lebenshilfe-Ratgeber überschwemmten den Markt. Weniger ergiebig gestaltete sich die Suche nach spezifisch biblischen Publikationen zu diesem Thema. 

Das umfangreichste und meist spezifische Buch, das in letzter Zeit in den Buchhandel kam, ist das folgende:

Giebel, Astrid / Hörsch, Daniel / Hofmeister, Georg /Lilie, Ulrich (Hgg.) 
Einsam. Gesellschaftliche, kirchliche und diakonische Perspektiven 
Leipzig (Evangelische Verlagsanstalt) 2022
332 S., € 28,-, ISBN 978-3-374-07159-3

Aus Anlass der Corona-Pandemie haben die Herausgeber:innen aus dem Umfeld der Diakonie Deutschland einen Aufsatzband zum Thema »Einsam« initiiert. Das Buch bietet einen fundierten und breit angelegten Überblick über das Thema »Einsamkeit« in kirchlichen und gesellschaftlichen Kontexten. Fünf große Abschnitte unterteilen das Thema.
Den ersten Abschnitt bilden biblische und theologische Perspektiven. Die ersten vier Beiträge sind dann auch spezifisch biblisch ausgerichtet und entfalten entlang der Themen »Wüste«, »Karfreitag«, »Naaman« und Joh 5 (Heilung eines Gelähmten am Teich Bethesda) Facetten der Einsamkeit. Zwei der Beiträge bieten dazu auch konkrete Bibelarbeit an. Der fünfte Beitrag des Abschnittes ist theologisch ausgerichtet und befasst sich mit der Frage nach der Einsamkeit Gottes. 
Im zweiten Abschnitt des Buches stehen kirchliche und diakonische Perspektiven im Zentrum. Einsamkeit und Seelsorge werden in fünf Beiträgen behandelt. Umfangreicher ist der dritte Abschnitt, der medizinische, psychologische, soziologische, philologische und gesellschaftliche Perspektiven einbringt. Im vierten Abschnitt werden alters- und lebensweltlich begründete Einsamkeiten beschrieben, im fünften dann spirituelle und praktische Hinweise für den Umgang mit Einsamkeit gegeben. Und hier sind zwei der drei Beiträge wieder biblisch fundiert: Elija, Psalm 88 oder Lukas 8 werden herangezogen, um Wege in und aus der Einsamkeit zu zeigen. 
Wer sich umfangreich mit dem Thema »Einsam« auseinandersetzen möchte, ist mit diesem über 300 Seiten langen Buch gut beraten. 


Katrin Brockmöller
Vom Segen der Stille. Innere Ruhe finden mit biblischen Worten
Stuttgart (Katholisches Bibelwerk) 2019
160 S., € 17,50, ISBN 978-3-96157-124-6

Das Buch der Direktorin des deutschen katholischen Bibelwerks versteht sich als spirituelle Begleitung für Exerzitien oder auch für »ruhige Momente zwischendurch«. In fünf Kapiteln mit mehreren Unterabschnitten entwickelt das Buch je eine Facette der Stille: Ausgehend von einem Bibeltext entfalten Impulsfragen, biblische Betrachtungen und persönliche Erfahrungen das Thema. Bekannte Bibeltexte wie Genesis 1 (die Schöpfung) oder Markus 4 (die Stillung des Seesturms) sind ebenso Bezugstexte wie weniger bekannte, etwa aus dem Buch Zefanja. Das Buch ist ein Lese- und Meditationsbuch, das die Stille hochhält und empfiehlt.


Rainer Gross
Allein oder einsam? Die Angst vor der Einsamkeit und die Fähigkeit zum Alleinsein
Wien, Köln (Böhlau Verlag) 2021
232 S., € 29,-, ISBN 978-3-205-21394-9

Das Buch bietet zwar keine biblischen oder theologischen Untersuchungen zum Heftthema, wohl aber soziologische, psychologische und kulturwissenschaftliche Perspektiven. Ziel des Buches ist, Solidarität und Toleranz zu befördern. Auch in diesem Buch ist die Corona-Pandemie der Anstoß für das Buch geworden. Der Autor, ein österreichischer Psychiater und Psychotheratpeut, untersucht das Phänomen in drei großen Abschnitten, bevor er in sein Schlussplädoyer für gute Beziehungen und Solidarität einmündet. Im ersten Abschnitt geht es um die Außenperspektive und damit um statistische Daten, Studien und Definitionen. Doch schnell wird klar, dass sich Einsamkeit nicht einfach von außen messen lassen kann. Im zweiten Abschnitt wird Einsamkeit als soziales Problem bzw. als psychische Krankheit thematisiert. Der kulturgeschichtliche Durchgang zeigt, dass sich auch das Verständnis, welche Form des Alleinseins bereits als Einsamkeit gelten muss, verändert. Im dritten Abschnitt schließlich geht es um die Innenperspektive, um die psychologische, auch psychotherapeutische und -analytische Sicht auf das Phänomen. Hier werden Umstände beleuchtet, die zu einem problematischen Umgang mit Nähe und Distanz führen können. 
Der Charme des Buches liegt darin, dass neben wissenschaftlichen Erkenntnissen immer wieder künstlerische Zugänge zum Thema »Einsamkeit« eingestreut werden. Dadurch zeigt sich, wie individuell unterschiedlich das Alleinsein erfahren und gedeutet wurde und wird und gleichzeitig, wie künstlerische Beschreibungen des Phänomens wieder rückwirken auf das Verständnis und die Deutung der eigenen und der gesellschaftlichen Situation. Das Buch ist kompakt geschrieben, wissenschaftlich fundiert, aber doch gut lesbar.


Maria Anna Leenen
Einsamkeit schafft Raum (3x7 Zusagen des Glaubens)
Paderborn (Bonifatius Verlag) 2014
100 S., € 13,90, ISBN 978-3897105744

Das kleine Taschenbüchlein aus der Reihe 3x7 Zusagen des Glaubens bietet tägliche Impulse für drei Wochen. Die Autorin ist Eremitin in Norddeutschland und ihre Sicht auf Einsamkeit ist eine dementsprechend positive. Wie und warum Einsamkeit etwas Gutes, Inspirierendes und Befreiendes sein kann, steht im Vordergrund, auch wenn die Schattenseiten nicht verschwiegen werden. Das Buch liest sich wie eine kleine Meditation: Kleine Reflexionen zum Thema, verbunden mit kurzen alltagstauglichen Empfehlungen, spirituellen Impulsen, Bibeltexten und literarischen Texten. Passende Fotos vertiefen das Thema. 

Rüdiger Safransky
Einzeln sein
München (Hanser Verlag) 2021
288 S., € 26,-, ISBN 978-3-446-25671-2

Der bekannte Philosoph bietet in diesem Buch eine umfangreiche Geschichte des Alleinseins aus philosophischer Perspektive. Der große Bogen von Renaissance bis ins 20. Jahrhundert beinhaltet Sichtweisen von Michelangelo, Martin Luther, Rouseau, Heidegger oder Ricarda Huch. Leicht zu lesen, gelingt der kultur- und philosophiegeschichtliche Überblick ohne große Mühen.

Daniel Schreiber
Allein
München (Hanser Verlag) 72021
160 S., € 20 ISBN 978-3-446-26792-3

Das Gegenstück zum kultur- und philosophiegeschichtlichen Parforce-Ritt von Rüdiger Safransky bietet der sehr persönlich gehaltene literarisch hochwertige Essay von Daniel Schreiber. Das Alleinsein aus unmittelbarem Erleben wird in allen Details erfahrbar und nachvollziehbar beschrieben. Emotional und kunstvoll, mit philosophischem, literarischem und soziologischem Hintergrund wird das Single-Sein des bekennenden Homosexuellen offengelegt und beleuchtet. 

Elisabeth Birnbaum
 

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